Virtuelles Reisen: In 80 Tagen um die Welt – vom Sofa aus
Fernreisen sind klimaschädlich, der Massentourismus belastet die Infrastruktur vor Ort, eine Pandemie schränkt die Möglichkeiten ein. Doch Reisen mit kulturellem Schwerpunkt bildet und hat wichtige Funktionen für Mensch und Gesellschaft.
- Es hilft, Vorurteile und die Angst vor dem Fremden abzubauen,
- fremde Kulturen zu verstehen und
- die Heimat zu schätzen.
Das virtuelle Reisen kann zur Alternative werden, um ferne Orte und Menschen kennenzulernen. Von der Couch aus können wir Museen und Weltkulturerbestätten besichtigen. Menschen führen uns virtuell durch ihre Stadt, Künstlerinnen und Künstler bringen uns ihre Arbeit näher.
Ich wollte herausfinden, inwiefern sich virtuelles Reisen eignet, analoges Reisen zu ergänzen oder gar zu ersetzen. Ab April 2021 reiste ich 80 Tage lang virtuell und schrieb zu jedem Kulturangebot einen belletristischen Reisebericht.
Disclaimer 2021: Virtuelles Reisen (ohne VR-Brille) steckt noch in den Kinderschuhen
Bei der Recherche der virtuellen Kulturangebote stellte sich heraus, dass die Auswahl noch nicht so ansprechend und attraktiv ist wie gedacht. Nicht nur im deutschsprachigen, sondern auch im englischsprachigen Raum steckt das virtuelle Reisen noch in den Kinderschuhen.
- Viele Angebote, die als „virtuelles Reisen“ gekennzeichnet waren, entpuppten sich beispielsweise als bloße Videos oder Dokumentationen von Orten oder Gebäuden. Mehr, als hier und da etwas hin und her zu scrollen: Fehlanzeige.
- Manche Touren boten mir zwar die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wohin ich wollte, waren aber wenig ansprechend umgesetzt, beispielsweise auf visueller oder narratorischer Ebene.
Ich wollte meine Leserinnen und Leser jedoch für die hochwertigen, durchdachten und richtig gut gemachten kulturellen Angebote begeistern.
Virtuell um die Welt: Die Reise nach Kriterien
Um einen abwechslungsreichen, interessanten Reiseplan zu erstellen, entwickelte ich Kriterien, in die sich die virtuellen Reiseangebote einteilen lassen. Diese helfen auch Dir, Dich für die Reisen zu entscheiden, die zu Dir passen.
1) Unterschiedliche Anbieter:
- Diejenigen, die sich auf diese Angebote spezialisiert haben, z. B.: Kandinsky hören – mit dem Centre Pompidou und Google Arts & Culture oder Blick über Rio de Janeiro – mit YouVisit.
- Diejenigen, die einen konkreten Ort virtuell erlebbar machen, z. B. Jane Austens Haus oder Hoi An – mit dem vietnamesischen Tourismusverband.
2) Unterschiedliche Orte:
- Weltkulturerbestätten und Städte, z. B. New York vom Empire State Building – mit I love NY 360.
- Der Weltraum, z. B. Besuch auf Exoplaneten – mit dem NASA Travel Bureau.
- Sprünge durch Zeit und Raum, z. B. Blick durch Fenster der Welt – mit Window Swap oder Kurzweiliges Städte-Raten – mit City Guesser.
3) Interaktionsmöglichkeiten:
Beim virtuellen Reisen sollte nicht passiver Konsum, sondern ein gewisses Maß an Selbstständigkeit im Vordergrund stehen. Dies wird im digitalen Format am besten über verschiedene Möglichkeiten der Interaktion erreicht, beispielsweise durch:
- Möglichkeiten der Orientierung (dank eines Überblicks oder einer Karte),
- selbständiges Fortbewegen,
- direkte Kommunikation mit Mitreisenden,
- Wechsel zwischen digitalen Formaten (Text, Audio, Chat, Video) und
- Ansprache unterschiedlicher Sinne, beispielsweise durch eine Handlung in der analogen Welt. So malte ich unter Anleitung einer Künstlerin, die uns zuvor als Gruppe durch Buenos Aires geführt hatte, ein Bild: Street-Art in Buenos Aires – mit Airbnb.
4) Live oder aufgezeichnet:
Erstere Variante ist in der Regel an einen Zeitpunkt gebunden und bietet die Möglichkeit, Mitreisende kennenzulernen und dem Veranstalter oder der Veranstalterin Fragen zu stellen, z. B. Virtuelle Tour auf Gorée – mit Heygo.
5) Nachhaltigkeit:
Die virtuelle Reise inspiriert dazu, das Reiseziel wertzuschätzen, sich für dessen Erhaltung einzusetzen und Massentourismus wie CO2-Abdruck zu reduzieren, z. B. Great Barrier Reef – mit David Attenborough.
Fazit aus der virtuellen Reise „In 80 Tagen um die Welt – vom Sofa aus“
Virtuelles Reisen erweitert den Horizont. Es ersetzt jedoch keinesfalls das Reisen selbst, zumal die Anzahl gut gemachter Angebote noch überschaubar ist.
Aus folgenden Gründen lohnt es sich trotzdem:
- Um an Orte zu gelangen, an die man nicht mehr kommt: aus gesundheitlichen Gründen, wenn die politische Lage im Land unsicher ist oder man nicht mehr auf nachhaltige Weise zum betreffenden Ort reisen kann, z. B. Petra im heutigen Jordanien – mit Google Maps.
- Als Ergänzung zum eigentlichen Besuch des Landes oder um Aspekte des Ortes zu erkunden, die nur virtuell erlebbar sind.
- Um sich treiben zu lassen und unverhofft Neues zu entdecken. Genau das ist heutzutage schwierig geworden, da Google sofort Suchergebnisse liefert. Bibliotheken hingegen, die früher der Hauptort für Recherchen waren, ließen uns auch Dinge entdecken, die wir eigentlich nicht gesucht hatten. Eine ähnlich neugierige Haltung, die notwendig ist, um sich treiben zu lassen, erfordert auch das Reisen – analog wie virtuell. Virtuelle Reisen leisten einen Beitrag, um die Entdeckerfreude ins Internet zu bringen.
Mein persönliches Fazit als Autorin
Eine Schwierigkeit, die ich erwartet, aber unterschätzt hatte, war, dass ich als virtuell Reisende wenig Handlungsspielraum habe, der über „klicken“ und „scrollen“ hinausgeht. Auch kann ich weniger Sinneseindrücke schildern. Deshalb musste ich zunächst eine neue Sprache für diese Art von Text finden.
Mit der Zeit entdeckte ich neue Ausdrucksweisen und bin dankbar für das neue Format, in dem ich mich schreibend neu ausprobieren konnte.
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