Öffentlicher Kunstdienst

1. November 2012

Marianne Schirge und Karin Rauers, Foto Miguel Guillermo

Was hat ein Kulturamt in einem Kunstmagazin zu suchen? Die naheliegende Antwort „so einiges“ führt zwangsläufig zu einer viel wichtigeren Frage: Wie kann ich einen Artikel darüber schreiben, ohne dass meine Leser das dringende Bedürfnis verspüren, ihren Mittagsschlaf nachzuholen? Lieber recherchiere ich erst mal, lerne ein paar Fachausdrücke auswendig und setze mich mit silbenreichen Begriffen auseinander. Mein Lieblingswort: Atelierumbaukostenzuschüsse.

Marianne Schirge, Kulturamtsleiterin, und Karin Rauers, Leiterin des Teams für bildende Kunst, sind spürbar skeptisch und scheinen sich zu fragen, warum ich sie überhaupt sprechen möchte. Offenbar ist vorher noch keiner auf die Idee gekommen, auch mal die städtische strukturgebende Instanz kennenzulernen, die das Düsseldorfer Kunstleben fast ebenso nachhaltig gestaltet wie die Künstler selbst. Ohne Engagement der Stadt weniger Künstler, die sich gerne niederlassen, weniger Kunstleben, weniger Geld für Projekte.

Wo wir schon beim ersten Thema sind. Die Stadt gibt, die Künstler können nehmen. Oder sagen wir: beantragen. Denn neben der Kunst- und Künstlerförderung der Bereiche Literatur, Musik sowie Tanz und Theater wird auch die bildende Kunst vom Kulturamt bedacht. Etwa durch die Bereitstellung von circa 400 Ateliers, allein 68 in der Walzwerkstraße 14, 27 in der Lierenfelder Straße 39. Das Kulturamt verwaltet diese in Zusammenarbeit mit der Städtischen Wohnungsgesellschaft Düsseldorf AG und vergibt die Räumlichkeiten per Ausschreibungsverfahren. Auch Atelierumbaukostenzuschüsse, die Anmietung von Lagerräumen oder die Möglichkeit, technisches Equipment gegen Kaution zu günstigen Konditionen auszuleihen, sind drin. Institutionen wie der BBK, die Große Kunstausstellung, der Malkasten, die Filmwerkstatt und das Kunstarchiv Kaiserswerth werden ebenso bezuschusst wie Off-Räume mit kleinerem Budget sowie einzelne Projekte, die Künstler in Düsseldorf realisieren möchten. Hierzu werden die Künstler auch beraten, das Vorhaben soll schließlich klar umrissen sein, und ein überzeugender Kosten- und Finanzierungsplan muss eingereicht werden, damit der Beirat für Bildende Kunst es dem Kulturausschuss, der jährlich 160.000 € zu vergeben hat, weiter empfiehlt. Die Erstellung des Kosten- und Finanzierungsplans ist, anders als der Zuschuss selbst, sicherlich unter den Künstlern nicht besonders willkommen, aber an zwei Termine im Jahr gebunden. Genau so oft tagt nämlich der Beirat, welcher sich aus Museumsleuten, Künstlern und Politikern aller Fraktionen zusammensetzt. Durch die Vielfalt seiner Mitglieder soll er sowohl eine umfassende Beleuchtung des Projektes als auch bereits in der Entstehungsphase ein breit gefächertes Publikum ermöglichen.

Marianne Schirge betont, dass die Sparten Tanz und Theater zwar den größten Betrag der Fördermittel kassierten, aber die Kunstakademie, der Malkasten und der verantwortliche Verein für die Große Kunstausstellung NRW Düsseldorf sowie Museen und Galerien das Stadtbild besonders nachhaltig prägten. Überhaupt sei Düsseldorf sehr beliebt unter bildenden Künstlern, bestätigt Karin Rauers, die seit fast 30 Jahren als Teamleiterin im Kulturamt tätig ist. Nicht nur, dass es hier, im Gegensatz zu Berlin, finanzkräftige Sammler gebe, welche überhaupt den Kauf der Kunst ermöglichten. Das unmittelbare Feedback der Künstler setzt Rauers darüber in Kenntnis, dass sogar Städte wie Hamburg oder München ihre Künstler nicht so umfassend versorgten. „Man merkt in Düsseldorf, dass die Stadt sich um ihre Künstler kümmert“, stellt sie selbstbewusst fest.

In der Tat scheinen Marianne Schirge, die seit 25 Jahren in der Kommunalverwaltung arbeitet, und Karin Rauers eine große Portion Verständnis, Gelassenheit und Freude an der künstlerischen Vielfalt mitzubringen. Ob die Generation, die Art und Weise, einen Antrag zu stellen, die Dauer oder die Kommunikation eines neuen Projektes betreffend – es darf, und soll offenbar möglichst unterschiedlich zugehen. Was zunächst fast schon altruistisch und werbewirksam klingt, enthüllt Schirge kurz darauf als gar nicht mal so uneigennützig: „Wir sind doch froh, wenn daraus keine Institution wird!“ Bewegung ist das sehr konkrete Schlüsselwort. Absolventen der Kunstakademie sowie bereits etablierte Künstler sollten sich ausprobieren dürfen, Netzwerke aufbauen, mit dem internationalen Künstleraustausch in anderen Ländern, darunter auch Korea, Russland, Serbien und, seit 25 Jahren, Israel, schaffen können.

Die zweite große Aufgabe des Kulturamtes umfasst genau das, was man sich unter der Pflicht eines Amtes vorstellt: Datenerfassung. Etwa 1.900 Künstler sind in Düsseldorf gemeldet. 1.900 Menschen, die einen Abschluss an einer Kunstakademie gemacht haben und/oder regelmäßig im arrivierten Kunstbetrieb ausstellen. Die virtuelle Künstlerdatenbank des Kulturamtes erlaubt es ihnen, ihre Biografie, die Abbildung einer Arbeit sowie ihre Kontaktdaten stets aktuell zu halten. Online ist sie durchsuchbar nach Name, Wohn-, Atelier- oder Ausstellungsort. Diese Künstler erhalten darüber hinaus für 30 € eine Künstlerkarte, die drei Jahre lang kostenlosen Eintritt in Museen und einen besonderen Informationsservice per Newsletter bietet. Auf diesem Wege werden sie beispielsweise zu den jüngst stattgefundenen Kunstpunkten eingeladen. Alle Jahre wieder koordiniert das Kulturamt diese Veranstaltung, die, aufgeteilt in Norden und Süden, an zwei Wochenenden stattfindet. Circa 500 der erfassten Künstler öffnen an etwa 250 Standorten ihre Ateliers. Dieses Jahr wurden 65.000 Besucher erwartet und laut Rauers tatsächlich auch begrüßt. Doch auch hier ist alles in Bewegung. Anders als noch vor zwei Jahren organisieren sich die umliegenden Gemeinden nun selbst, der Freitagabend ist den Off-Räumen gewidmet, die neben bildender Kunst auch Veranstaltungen, Performances und Musik zeigen. Schmuck sucht man in den Kunstpunkten vergebens – die entsprechenden Ateliers haben sich zu den Schmuckpunkten zusammengeschlossen.

Last, but not least gibt es auch etwas zu gewinnen – und zwar seit 1972 jährlich einen Geldpreis, mittlerweile zwei Mal 4.000 €, gestiftet vom Rat der Stadt, verliehen vom Oberbürgermeister. Entweder würdigt der Förderpreis eine künstlerische Leistung oder aber die bisherige Gesamtleistung des Künstlers. Koordiniert von Ulla Lux werden die Arbeiten dann in Zusammenarbeit mit Gastkuratoren im circa 350 Quadratmeter großen Kunstraum gezeigt.

Erst seit 20 Jahren werden kleinere Projekte und Off-Räume gefördert, davor hat sich die bildende Kunst auf etablierte Einrichtungen konzentriert. Der Trend steuert weiter auf projektbezogenes Arbeiten zu; kleiner und flexibler, flüchtiger und experimenteller eben. Hier und da lassen sich Marianne Schirge und Karin Rauers blicken – schließlich wollen sie wissen, was sie fördern. Sprich: Mal schauen, wie das renovierte Atelier nun aussieht. Nach dem Atelierumbaukostenzuschuss.

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