Kunstvoll überlebt

1. September 2012

Die Galerie Vömel, Foto Miguel Guillermo

Die Eingangstür aus massivem Holz zieren kunstvolle Schnitzereien. Viele Menschen passieren dieses erstaunlich bewegliche Tor, obwohl die Galerie, zu der es führt, erst am 16. September um 12 Uhr mit Grafiken von Emil Nolde öffnen wird. Die Umbauarbeiten der Galerie Vömel, zweitälteste Galerie Düsseldorfs, neigen sich nach einem Jahr mit vielen Verzögerungen endlich dem Ende zu.

Unterdessen hat Edwin Vömel Kunst im benachbarten Hotel Orangerie verkauft. Dass Menschen in ein Hotelzimmer kommen, um Kunst zu erwerben, ist zwar ungewöhnlich, doch angesichts des herrschenden regen Treibens in der Galerie durchaus vorstellbar. Tür und Telefon klingeln unaufhörlich. Edwin Vömel trifft verspätet zum Pressetermin ein. Während des Gesprächs erscheinen der Käufer eines Chagall, ein Handwerker sowie diverse Herren mit ungeklärter Aufgabe. Edwin Vömel empfängt sie alle mit nahezu jugendlichem Elan. Wenn sie wieder gehen, läuft er weiter herum, setzt sich zwischendurch an seine Schreibmaschine, steht wieder auf. Gelegentlich ruft ihn Dorothee Vömel zurück an den Tisch. Für Pressearbeit hat er offensichtlich nicht viel übrig und überlässt das Reden lieber seiner Frau, die wiederum bereitwillig fachkundige Auskunft gibt.

Nach einem gescheiterten Versuch, Restaurierung zu studieren, und der anschließenden Schneiderlehre konnte Dorothee Vömel doch ihren Traum, „irgendwas mit Kunst“ zu machen, erfüllen: 1952 heiratete sie den Sohn des Galeristen Alex Vömel. Mit ihrem Schwiegervater verstand sie sich blendend und reiste häufig mit ihm, um Bilder zu kaufen. War es am Anfang so, dass beide vielmehr hofften, die erstandenen Werke würden auch Ehemann bzw. Sohn Edwin gefallen, entwickelte sich mit der Zeit ein gemeinsamer Geschmack. Über die Beziehung zu ihrem Mann stellt Dorothee Vömel nüchtern fest: „Wir kennen uns so gut und wir wissen so genau, was wir wollen. Da braucht man sich nur anzugucken und schon weiß man Bescheid.“

Drei Mal wurde die Galerie Alex Vömel im Zweiten Weltkrieg ausgebombt. 1946 eröffnete Alex Vömel erneut, auf der Königsallee, über dem Porzellangeschäft Franzen. Seit damals veröffentlicht die Galerie zu fast jeder Ausstellung auch einen Katalog, worauf sehr viel Wert gelegt wird. Das mag auch daran liegen, dass „die Leute meist die Werke kaufen, die im Katalog abgebildet sind“, bemerkt Dorothee Vömel fast ein bisschen kopfschüttelnd. Die größte Konkurrenz, wie sie sich erinnert, sei zu der Zeit nicht etwa Mutter Ey gewesen, sondern die ehemalige Tänzerin Hella Nebelung mit ihrer Galerie am Ratinger Tor.

1969 setzten die Vömels auf das neue Kö-Center, obwohl damals noch nicht sicher war, ob es überhaupt fertig werden und sich der Standort lohnen würde. Trotz des Erfolgs, sowohl des Centers als auch der Galerie, die ihre Hochzeit in den 1980er-Jahren erlebte, entschlossen sich die Vömels 1996, wegzuziehen. Edwin Vömel begründet dies abschätzig: „Die Kö hat doch sehr abgebaut. Es gibt gar keinen Einzelhandel mehr, nur noch Filialen.“ Von der Orangeriestraße 6 scheinen sie nun nicht mehr wegziehen zu wollen.

Wenn die Vömels Kunst kaufen, hängen sie sie meist erst einmal zu Hause auf und warten mit dem Verkauf bis zum nächsten oder auch übernächsten Messeeinsatz. Teile ihrer privaten Sammlung werden auch gelegentlich gezeigt. Die Diskussion um die Gestaltung der nächsten Messeausstellung, in der zusätzlich 900 kleine afrikanische Goldgewichte gezeigt werden sollen, ist lebhaft. Dorothee und Edwin Vömel sowie der zuständige Handwerker reden kreuz und quer durcheinander – es geht um Lage und Fläche des Standes, Vitrinen, Ausstellungskonzepte, Aufgabenverteilung.

Die Galerie Vömel ist das Paradebeispiel einer „Stehaufgalerie“. Sie läuft immer noch, trotz Bomben, Umzügen, langwieriger Renovierung sowie Auktionshäusern und Internet, die ihr enorme Verluste bescheren, wie es sie früher in der Form nicht gegeben hat. Und in den letzten Jahren eine nervenaufreibende Diskussion, u.a. berichteten „Die Welt“ und „Der Spiegel“, um die Übernahme der Galerie des jüdischen Galeristen Alfred Flechtheim durch den damaligen Teilhaber Alex Vömel im Jahr 1933. Wollte er Flechtheims Galerie retten, sie „arisieren“ oder einfach nur ein gutes Geschäft machen? War er 1933 der SA aus Überzeugung beigetreten, oder um die Galerie halten zu können? Eine klare Beweisführung ist nahezu unmöglich, Zeitzeugen sind gestorben, Dokumente unauffindbar oder zerstört. In der „Zeit“ lässt sich derweil 1946 lesen: „Auch nach 1933 konnte man bei Vömel Werke von Hofer, Nolde, Barlach, Klee, Rohlfs und vielen andern sehen, die als Verfehmte aus dem Reich der Kunst verbannt werden sollten.“

Mit der damals als „entartet“ diffamierten Kunst handeln die Vömels heute immer noch und haben sich dabei mit viel Leidenschaft auf die klassische Moderne und den deutschen Expressionismus spezialisiert. Dorothee Vömel erzählt: „Wenn jemand kommt und kaufen will, bin ich immer ganz nervös, weil ich mich so ungern von den Sachen trenne.“ Die Vömels vertreten verstärkt Gerhard Marcks und Renée Sintenis, von denen sie gleichermaßen Person und Werk schätzen. Das gehört für sie eigenartigerweise zusammen. „Sonst wären wir ja nicht befreundet gewesen.“ Außerdem Helmut Kolle, Ewald Mataré, Werner Gilles, Reiner Wagner und den eher regional bekannten Walter Wörn.

Wer die Galerie einmal übernehmen wird, ist noch ungewiss. Aber eines steht fest: Gegen eine langjährige, erfolgreiche Weiterführung der Galerie Vömel scheint angesichts dessen, was diese schon alles überstanden hat, nichts zu sprechen.

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