Förderpreisträger 2010

1. Februar 2011
Maki Umehara, Installationsansicht im Kunstraum Düsseldorf

Maki Umehara, Installationsansicht im Kunstraum Düsseldorf

Im Dezember letzten Jahres wurde der jährlich vergebene Förderpreis der Landeshauptstadt Düsseldorf verliehen. Aktuelle Preisträger der mit 4.000 Euro dotierten Auszeichnung in der Kategorie „bildende Kunst“ sind Maki Umehara und René Zeh.

 

Maki Umehara: Homes in Mum-Bay

Der Raum ist weiß und bietet viel Platz. In der Leere kommen Maki Umeharas siebbedruckte indisch-bunte Stoffbahnen voll zur Geltung. Im Gegensatz zum Chaos indischer Metropolen wirken sie allerdings geordnet und gezielt platziert. Im Rahmen eines Austauschprojektes der Kunststiftung NRW in Kooperation mit dem Goethe Institut Mumbai lebte Umehara als artist in residence sechs Monate in der indischen Großstadt und verarbeitete ihre Erfahrungen und Eindrücke in ihrer Arbeit. Das Konzept der gebürtigen Japanerin, die seit zehn Jahren in Düsseldorf lebt, geht auf: Gegensatz trifft auf Gegensatz, in Gegenüberstellungen und Grenzübergängen entsteht neue Identität.

Ob portugiesisch, britisch oder indisch – immer noch wird darüber gestritten, welcher Name für Indiens Straßen und Städte offiziell und endgültig verwendet werden soll. Im Falle Mumbais hat man sich zwar schon entschieden und der britische Name Bombay gehört nun der Vergangenheit an. Aber Umehara greift die Namensproblematik beispielhaft für den Rest des Landes auf und verweist damit bereits im Titel ihrer Ausstellung auf die verwirrende Vielfalt Indiens, verschwimmende Grenzen zwischen öffentlichen und privaten Plätzen und Gegensätze zwischen Glauben und Kastensystem.

Stoffe und Siebdruck halten, was der Titel verspricht. Umehara interpretiert indische Erlebnisse mit schillernden Stoffen aus unterschiedlichen Teilen des Landes und ebenso unterschiedlichen Jahrzehnten, Siebdruckmotiven und handgemachtem Papier. Von den Indern hat sie gelernt, dass in Indien nie etwas perfekt ist, und so ist auch ihr Siebdruck bewusst stellenweise verrutscht, um dieses „Unperfekte“ wiederzugeben.

Bahnen aus verschiedenen Stoffen, in denen glänzende Seide und Baumwolle miteinander verwebt sind,interpretieren den gesellschaftlich vorgeschriebenen Kleidungsstil. Da den niederen Kasten das Tragen von Seide nicht erlaubt ist, wird die Seidenseite des Saris, des traditio- nellen indischen Frauengewandes, nach außen gekehrt, die Baumwollseite nach innen. Die Tatsache, dass, wie Umehara sagt, in Indien unglaublich viele Menschen einfach auf dem Boden liegen, wird ebenso in ihrem Werk berücksichtigt: Drei Stoffbahnen liegen im Raum, als seien sie von den an der Wand angebrachten Haken abgefallen. Darauf bedruckt sind religiöse Motive der drei großen Religionen Indiens: Hinduismus, Buddhismus und Islam. Auch auf dem handgemachten, intensiv riechenden und ebenfalls bedruckten Papier greift sie religiös-gesellschaftliche Umstände auf. Das Aufbrechen des strengen Kastensystems wurde hauptsächlich dank Dr. Babasaheb Amebedkar aus der Kaste der Unberührbaren durch die Wiederbelebung des Buddhismus in Indien angestoßen. Seine Schriften liegen symbolisch auf einer Erhöhung. Die Farben der Stapel gleichen der hoffnungsfrohen Dämmerung und steigern sich in ihrer Helligkeit. Umehara hat sich von den Gegensätzlichkeiten der indischen Kultur auch für ihr deutsches Leben inspirieren lassen. Im Gegensatz zu den Europäern, die, wie sie bemerkt, öffentliches und Privatleben meist trennen, hat sie im für das Publikum bestimmten Ausstellungskatalog ihr Privatleben bewusst mit dem ausgestellten Werk verknüpft. Eine mutige Entscheidung, die viele Künstler niemals treffen und die auf der anderen Seite die Menschen viel mehr berührt als losgelöste Kunst.

In diesen Tagen erscheint Umeharas Buchprojekt Apogee der Künstlergruppe nüans im Revolver Verlag; ab März 2011 nimmt sie an einer Gruppenausstellung im W139 Amsterdam teil.

 

René Zeh: vanity fair

Schon beim Eintreten registriert die Nase des Besuchers, dass hier mit Holz gearbeitet wurde. In Schleife laufende Filmausschnitte kündigen sich bereits akustisch an, obwohl man noch nichts von RENÉ ZEHs Installationen sieht. Dann: Sich überkreuzende, weiße Neonröhren mit blauen Enden, die halbsekündlich blinken. Auf die davor stehenden Holzkisten sind Zeitungsausschnitte mit der Titelüberschrift „we can handle it“ geleimt. Auf der gegenüberliegenden Seite lehnen mannshohe, bunte Holzpaletten.

Der Künstler René Zeh kritisiert mit seinen Werken modernes hedonistisches Verhalten. Seine Installationen haben Modellcharakter und versetzen den Betrachter in einen Zustand, der nicht so recht zu deuten ist. Irgendwie dazwischen. Auf der einen Seite zeigen die Filmsequenzen, deren Figuren in einer hochtechnologischen Großstadt agieren, wie es aussehen soll, das dramatisch, bedeutungsschwangere Luxusleben. Auf der anderen Seite: Die Holzpaletten, auf denen unter anderem auch der Filmprojektor steht. Sie deuten an, wie aufwendig so ein Leben ist, angefangen beim Rohbau. Zeh führt mit bewusst reduzierten Mitteln vor Augen, woher wir kommen. Und dass alles andere, auch das für den modernen Menschen Selbstverständliche, erst geschaffen werden muss. Der Besucher wird mit allen Sinnen in ein Spiel mit dem Bedürfnis nach Ursprünglichkeit und der gesellschaftlich aufgepfropften Sehnsucht nach Luxus und Lifestyle verwickelt.

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