Berühmtes Leben im Museum

1. April 2011
Raymond Depardon: "Brigitte Bardot", 1960, © Raymond Depardon / Magnum Photos

Raymond Depardon: „Brigitte Bardot“, 1960, © Raymond Depardon / Magnum Photos

Schöne Menschen tun unterhaltsame Dinge und vergessen dabei den Rest der Welt. In weiteren Rollen: Freizügigkeit, Jetset, Fun, Parties, Style, Genusssucht, Luxus. Everyone‘s a star.

Was nach dem Themenspektrum heutiger Boulevardzeitungen klingt, ist in der Ausstellung Zeitgeist & Glamour (NRW-Forum) mit 400 Fotografien aus den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts künstlerisch legitimiert und aufbereitet. Glamouröse Stich(w)orte erwecken entsprechende Assoziationen und lassen träumen: Côte d‘Azur, St. Moritz, Paris, London, Rom, New York.

Im neuen Jahrtausend ist das nicht anders: Unerreichbare Star-Götter verkörpern eine Idee. Diese wird vermarktet und alle profitieren davon. Der Promi finanziell und der Konsument moralisch. Denn Gott ist tot und irgendwer muss dem Volk ja sagen, wo es langgeht.

Im NRW-Forumjedenfalls ist man begeistert, dass auch die Generation 30 Minus die Ausstellung gut besucht, obwohl die Namen der fotografierenden und fotografierten Menschen ihnen eher unbekannt sind. Kein Wunder, Glamour ist heute immer noch Existenzberechtigung Nummer Eins. Der Poptitan hebt den Daumen und der Mensch wird mitsamt Seele in den gesellschaftlichen Olymp katapultiert. Der Rest der Welt sitzt beobachtend auf der Couch, konsumiert Glamour und Kartoffelchips und hofft dabei, dass ausschließlich ersterer auf ihn einwirkt. Einziger Unterschied zu damals, wo Glamour noch harte, körperliche Arbeit war und man tatsächlich auf die Party gehen musste, um dabei zu sein: Photoshop und facebook lassen heute virtuellen Glamour wie von Zauberhand entstehen.

Im Großen und Ganzen unterscheidet sich der damalige Glamour also wenig von dem aktuellen. Daher drängen sich im Zusammenhang dieser Ausstellung eines der großen Kunstmuseen Düsseldorfs zwei Fragen auf: Zeigen die Fotografien tatsächlich einen künstlerisch wertvollen Zeitgeist der enstprechenden Jahre? Und: Hat jener Glamour sich, anders als der heutige, sinniger und erfüllender angefühlt?

Zeitgeist & Glamour antwortet auf beide Fragen durch Leerstellen: Vietnamkrieg, prominente Drogentote und Selbstmorde sowie ereignisloser Alltag wurden außen vor gelassen. Es bleibt die Hoffnung, dass nachfolgende Generationen unseren (Kunst-)Zeitgeist nicht ausschließlich an Popkultur festmachen werden. Denn aktuell wird uns in Düsseldorf von der Jugend der 1960er und 1970er Jahre das Archiv einer kunstvollen, disneyland‘schen Boulevardzeitung des Sonnenscheins geboten. It‘s fun.

Fazit: Weit entfernt, intellektuellen künstlerischen Ansprüchen gerecht zu werden, aber eine sehr unterhaltsame und schöne Reise in die „gute alte Zeit“!

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