Literaturtipp: Werner Schmalenbach

1. Februar 2012

Zwei Männer, der eine 72, der andere 89 Jahre alt, letzterer von Alter und Krankheit gezeichnet, treffen sich im Herbst zu einem Plausch in Meerbusch. Dass dabei große Namen fallen wie Matisse, Picasso, Klee, Chagall, Kirchner, Macke, Kandinsky, Mondrian, Ernst, Pollock, Lichtenstein, Warhol und Bissier ist vielleicht nicht unbedingt zu erwarten.

Dass das Gespräch in so ernster Lage, ein halbes Jahr vor dem Tod des Zweitgenannten, locker flockig, gespickt mit Anekdoten und interessant über die Bühne geht, auch nicht. Aber das entspricht durchaus dem Charakter des zu diesem Zeitpunkt 89-jährigen Werner Schmalenbach, der dem ehemaligen Feuilletonredakteur der F.A.Z. Eduard Beaucamp rückblickend von seinem Leben erzählt.

Schmalenbach zeichnet von sich selbst das Bild eines Menschen, der seiner Intuition stets bedingungslos gefolgt ist und dabei geistesgegenwärtig und konsequent reagiert hat. Wie er vom „irrationalsten Augenblick“ seines Lebens erzählt, möchte ich Ihnen nicht vorenthalten: „An einem sonnigen Montag früh kam ich in mein Büro, setzte mich hin und realisierte, dass ich nichts zu tun hatte. […] Ich saß da, und auf einmal stand vor mir das Wort: Afrika!“ (S. 26). Am selben Tag schlug er seinem Verleger Herrmann Loeb eine Buchveröffentlichung über afrikanische Kunst vor, von der er bis zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung hatte. Den Auftrag erhielt er zwei Stunden später.

Die meiste Zeit jedoch parlieren die beiden Herren über Schmalenbachs Zeit in Düsseldorf, wo er, wie wohl bekannt, von 1962 bis 1990 die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen aufbaute.

Als völliger Souverän stach er Konkurrenten aus und entschied über den Kopf von Kommissionen hinweg, übte sich trotz Millionenbudgets in Enthaltsamkeit und kaufte nur die Werke, die ihn leidenschaftlich in ihren Bann zogen. In diesem Gründerzeitenparadies, als ihm die Kunst erfreulich oft auf dem silbernen Tablett serviert worden ist, ging es ihm ausschließlich um Qualität: Massenware verachtete er, und er wollte „sein“ Museum nicht zum Abstellplatz umfunktionieren. So schafften es auch nur etwa 200 Werke in „seine“ Sammlung.

Das Gespräch ist direkt, ohne Schnörkel, mit einem Humor, den nur das Alter hervorbringt und der auch ernste Themen aufgreifen kann. Unterhaltsamer zu lesen als so manch trockener Text über (die Düsseldorfer) Kunstgeschichte, von einem zentralen Zeitzeugen in der für ihn so typischen Leichtigkeit vorgetragen. Die Unterhaltung über den Aufbau der schönsten, wie Schmalenbach betont, und bedeutendsten Galerie des 20. Jahrhunderts in Deutschland und die persönliche Entwicklung ihres Gründers begleiten außerdem Schwarz-Weiß-Fotos, die Schmalenbach mit Tàpies, Miró, Bissier, Uecker und anderen wohlbekannten Persönlichkeiten der Kunstwelt zeigen.

Wer auf den Schmalenbach-Geschmack gekommen ist, kann sich ebenso auditiv mitreißen lassen: Auf zwei CDs sind unter dem schlichten Titel Werner Schmalenbach spricht über Bissier, Goller, Kirchner, Schumacher, Schwitters und Tàpies sechs seiner Vorträge zusammengestellt.

 

Eduard Beaucamp: Werner Schmalenbach, aus der Reihe Energien / Synergien 11, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln.
ISBN: 978-3-86335-049-9, Preis: 14,80 €

Anna Schlüter (Hg.): Schmalenbach spricht über Bissier, Goller, Kirchner, Schumacher, Schwitters und Tàpies, 2 CDs, 158 Min., Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln.
ISBN: 978-3- 86335-071-0, Preis: 14,00 €

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