it’s pARTytime

1. Dezember 2011
© Stephan Machac: Single-Club im Juni. Rollrasen: Johannes Bendzulla, Säulengestaltung: Camillo Grewe

© Stephan Machac: Single-Club im Juni. Rollrasen: Johannes Bendzulla, Säulengestaltung: Camillo Grewe

Eine Metapher, die mit dem Holzhammer hantiert: Die Undergroundparty steigt in einem Kellergewölbe, das alles daran setzt, seinen Wurzeln gerecht zu werden. Wo kommt die Luft rein? Gibt es überhaupt welche? Die Menschenmassen scheint das nicht zu stören. Eine große Anzahl Gäste steht zwar auch draußen auf der Straße, aber nur, weil sie noch nicht reingekommen sind. Oder eben, um kurz zu atmen.

Single-Club, eine 24-Stunden-Party der Düsseldorfer Kunstszene, die bis Juni 2012 jeden ersten Freitag im Monat ab 22 Uhr im Bistro Agi (Ackerstraße 5) stattfindet, steht für die folgende oder eine ähnliche Aufforderung: Sei Single (einzigartig, musikalisch und ohne Partner) und nehme in diesem Zustand eine laaange Auszeit vom Alltag. Die Gestaltung der Website www.single-club.in spricht für sich: wenig Text, kaum Verlinkungen, dafür Fotos, Videos, Künstler- und Bandnamen und mehr schlecht als recht eingescannte Presseartikel – alles im Querformat. Auch hier greift man nicht unbedingt auf Bewährtes zurück.

Beim „Erfinder“ dieser monatlichen Ausnahmesituation laufen alle Fäden zusammen: Seit Januar ging Alexander Wissel – befruchtet von der Oktoberbar 2010 – mit der Idee schwanger und gebar sein Partybaby im Juni. Eine relativ kurze Zeit für ein derartiges Projekt, das sich allen streng organisatorischen Regeln à la wirtschaftlich-effektive Projektplanung widersetzt und als idealistische Kunstveranstaltung eher auf mitmenschliche Zusammenschlüsse baut. So darf eigentlich jeder bei der Gestaltung mitmachen, gebildet hat sich jedoch auf organische Weise ein Team von drei Leuten, die die Gestaltung gezielt anpacken – Wissel, Miriam Schwedt und Jan Schulte.

Viel zu tun gibt es allemal, nicht zuletzt, weil bei jeder Party den Gästen zu einem neuen Raumgefühl verholfen wird. Nachdem der Kegelbahn ein würdiges Ende bereitet und sie zu Fußboden umfunktioniert wurde, sind Mauern durchgeschlagen, Notausgänge installiert und neun Container Schutt weggeschafft worden. Der Raum war schon mit Rasen ausgelegt und mit Alufolie verkleidet, die Bühne durch Wanda Koller mit Gips auf den ganzen Raum erweitert, Springbrunnen wurden installiert. Zwei Tage vor der Debütparty gab es noch keinen Strom: ein Paradies für handwerklich ambitionierte Künstler mit Liebe zur Improvisation. Die letzte Party im November bestach durch Schaukeln und einen Käfig, Performances von vollständig in Schwarz verhüllten Menschen (Kostüme von Sarah-Jane Hoffmann) und dezenten als Go-go-Stangen einsetzbare Skulpturen von Jan Albers – das meiste jedoch keusch hinter Menschenmassen und Jackenbergen verborgen.

Der Wunsch der Veranstalter ist es, dass sich im Laufe der 24 Stunden Raum und Gäste zur „sozialen Skulptur“ entwickeln, die alle Künste vereint. Bands gründen sich eigens zu diesem Anlass und dabei ist es manchmal auch egal, ob die Instrumente überhaupt beherrscht werden – Hauptsache, „der Club hat einen eigenen Sound“, der sich vorwiegend an Trommeln, Techno, Disco und Elektro orientiert, kommentiert Schulte.

Die Gäste sollen sich selbst inszenieren und ausprobieren können, ein synästhetisches, außergewöhnliches Erlebnis soll es sein (der Geruch übernimmt dabei den Part der Rückholung in die Realität einer gewöhnlichen Kneipe), alle Gesellschaftsschichten sind willkommen – Akademiestudenten, international bekannte Künstler ebenso wie Menschen, die hauptberuflich den Worringer Platz bevölkern. Besondere Stimmung, die dem außergewöhnlichen Zeitfenster der 24 Stunden entspringt, herrscht gewöhnlich um 6 und zwischen 12 und 14 Uhr, 1 Uhr ist häufig der Höhepunkt.

Die Veranstaltung wird gefördert durch die Kunststiftung NRW, finanziellen Gewinn macht hier niemand. Wohl aber entstehen neue Netzwerke und Projekte: Der Regisseur Jan Bonny dreht zurzeit Single, einen Mix aus Dokumentar- und Spielfilm – deshalb verlieren die Gäste mit dem Eintritt ihr Recht am eigenen Bild und bekommen dafür gelegentlich kleine Digitalkameras an die Hand. Für nächstes Jahr plant Wissel ein Seminar über Clubkultur an der Kunstakademie und die Ausstellung mit Relikten der Party, die Ende September im Kunstraum Düsseldorf zu sehen waren, tourt 2012 in erweiterter Form nach Wien.

Jede Szene feiert sich gerne selbst, Kunstszenen wohl besonders einfallsreich. Gerade in Düsseldorf könnte man in dem Zusammenhang hauptsächlich näselnde Prunkschauen mit Champagner, Kanapees und leisem Pianospiel im Hintergrund vermuten. Dass sich diese Selbstinszenierung auch underground und trashig vollzieht, ist ungewöhnlich. Daumen hoch für eine durchschlagende, junge Alternative.

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