Auch wenn Worte sehr machtvoll sind – meist sind es Bilder, die sich in unser (Unter-)Bewusstsein fräsen und unsere Meinung prägen. Die Kirche zum Beispiel nutzte eine altertümliche Laserversion, um ihre Botschaft zu vermitteln: Wenn Licht durch die religiösen Glasmalereien einer Basilika schien, begriffen die Gläubigen sofort, in welche Ordnung sie hineingeboren waren. Wahrscheinlich aber haben schon die Fenster einer mittelgroßen Kirche gereicht, um in Gottes Auftrag zu verkünden, dass man in dieser Ordnung auch zu bleiben hat. Wenn heute das Licht durch die Fenster des Kölner Doms scheint, fühle ich mich zugleich frei und orientierungslos – Gerhard Richters gegenstandslose Farbquadrate sind nach dem Zufallsprinzip angeordnet.

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Maskenrund im Bereich “ZwischenWelten: Rituale”, Themenparcours “Der Mensch in seinen Welten”, Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt, Foto Atelier Brückner/Michael Jungblut

Ich suche nach weiteren Anhaltspunkten und bleibe in Köln, nicht ganz so weit vom Dom. In der Cäcilienstraße 29-33 befindet sich das einladende Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde, welches 1901 aus der Privatsammlung des Forschungsreisenden Wilhelm Joest (1852-1897) hervorging. Seine Schwester Adele, verheiratet mit dem Kaufmann Eugen Rautenstrauch, finanzierte nach seinem Tod den Bau des Gebäudes in der Kölner Südstadt, in dem das Museum über 100 Jahre lang beherbergt war. Der Umzug in die Cäcilienstraße im Jahr 2008 schaffte nicht nur bedeutend großzügigeren Platz für die aktuell 60.000 Objekte aus Ozeanien, Afrika, Asien und Amerika, sondern inspirierte die Kuratoren darüber hinaus, eine unübliche Aufteilung vorzunehmen. Der Parcours ist nun nicht mehr nach geografischen Gesichtspunkten strukturiert, sondern folgt zwei Themensträngen, die erforschen, wie die Welt vom Menschen gestaltet und wie sie von ihm erfasst wird – natürlich nicht nur in der sogenannten „westlichen Zivilisation“. Bei der großartigen Präsentation fällt es leicht, sich darauf einzulassen, wie unterschiedlich die Menschen weltweit mit Wohnräumen, Kleidung und Körperschmuck, Tod, Religion und Ritualen umgehen und somit die Welt gestalten. Außerdem vermittelt das Museum eindrücklich, wie wir die Welt zu erfassen und zu begreifen versuchen: durch Schemata. Die Fremdbilder, die sich die Menschen während der Kolonialzeit zurechtlegten, halfen ihnen ebenso die Welt zu vereinfachen, wie uns heute unsere Vorurteile gegenüber Menschen aus anderen Kulturkreisen dazu dienen. Im Rahmen dieses Themenkomplexes untersuchen die Kuratoren darüber hinaus zwei unterschiedliche Ansätze der Vermittlung: Einerseits gewähren Gegenstände in Verbindung mit aufbereiteten Informationen Einblicke in fremde Kulturen (Die Welt in der Vitrine: Museum); andererseits laden Werke aus aller Welt ohne Erläuterung ihrer Funktion den Besucher dazu ein, sich auf ihre Betrachtung einzulassen (Ansichtssachen?!: Kunst). Beide Dauerausstellungen stehen gleichwertig nebeneinander und werfen die Frage auf, was eigentlich „nur“ ein völkerkundlich interessantes Objekt und was darüber hinaus noch Kunst ist.

Das Verständnis von Kunst verändert sich nicht nur, wenn man Kilometer zurücklegt, sondern

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