El Greco et al

4. April 2012

El Greco (1541-1614): „Die Büßende Magdalena“, ca. 1580-86, Öl auf Leinwand, 104,6 x 84,3 cm, © The Nelson-Atkins Museum of Art, Kansas City, Missouri, William Rockhill Nelson Trust, 30-35, Foto: Jamison Miller

Spanien ist ein Land voller frappierender Gegensätze. Erzkatholisch, wo die meisten Kinder nur das Elternhaus verlassen, um zu heiraten, legalisiert es 2005 als dritter Staat weltweit die gleichgeschlechtliche Ehe. Erzkatholisch war Spanien auch schon im 16. Jahrhundert, Inquisition inklusive. Aber während der erste Kunsthistoriker Giorgio Vasari im Venedig der Renaissance versuchte, den herausragenden Maler Tintoretto in die Schranken der perfekten Technik zu weisen (es aber nicht schaffte), konnte El Greco im Toledo des Siglo de Oro noch einen Schritt weiter als „das Färberlein“ gehen und sich über die naturalistische Malerei des wichtigsten Porträtmalers seiner Zeit, Diego Velázquez, hinwegsetzen.

Heute bezeichnen die meisten Menschen, die es wissen müssen, El Greco als einen der größten Maler des Abendlandes. Einer von ihnen war Julius Meier-Graefe (1867-1935), deutscher Kunsthistoriker und Schriftsteller. Auf seiner Spanischen Reise entdeckte er, der im Prado Velázquez gesucht hatte, 1908 den Griechen Doménikos Theotokópulos: „Ich sehe kaum noch die Bilder der anderen, die in dem langen Saal hängen, noch die Menschen, die den Weg versperren. […] Während ich hin und her pendele, dämmert in mir ein phantastisches Hin und Her von Empfindungen. Wenn ich bei den Grecos bin, glaube ich stest aufs neue einen brausenden Akkord zu empfangen, der bei den Velasquez undeutlich, zitternd nachklingt, wie ein ganz leises Echo.“ Noch zweifelte Meier-Graefe an seiner Urteilskraft, aber schon bald konnte er sich vor Lob und Überschwang für seinen gefundenen Schatz nicht mehr halten. Der “brausende Akkord” hatte ihn vollständig erfasst und ging mit seiner Hilfe bald auch auf die Künstler der Moderne über.

Seit dem Vierten Kreuzzug 1204 wurde El Grecos Geburtsinsel Kreta von Venedig verwaltet, daher lag es für den Ikonenmaler nahe, in der mächtigen Lagunenstadt zu arbeiten. Später ging er nach Rom und reiste nach sieben Jahren weiter nach Toledo. Vielleicht ist es dieser Internationalität zu verdanken, dass er letztendlich einen so sprachgemischten Namen erhielt: Der erste Teil (“El”) stammt aus dem Spanischen, der zweite (““Greco”) ist italienisch. Er selbst sprach mehrere Sprachen, konnte sogar Latein und Altgriechisch und besaß darüber hinaus eine zu der Zeit ungewöhnlich umfassende Bibliothek. Auch El Grecos Malerei zeigt durchaus entsprechende interkulturelle Einflüsse, die der exzentrische Gelehrte zu einem individuellen Stil kombinierte – von der traditionellen griechischen Malerei über venezianische Farbgebung bis zu zu römischem Denken.

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El Greco: „Anbetung der Hirten“, ca. 1603-05, Öl auf Leinwand, 141 x 111 cm, Museo del Patriarca del Real Colegio de Corpus Christi de Valencia

Malen über Grenzen hinaus: Als einer der ersten experimentierte der letzte Manierist mit dem Effekt einer künstlichen Lichtquelle und entsprechenden Beleuchtungs- und Farbeffekten. Er malte unscharfe Umrisslinien, ausladende Gewänder, asymmetrische Kompositionen und eine andersartige Raumbildung, in der Brunelleschis Zentralperspektive keine Rolle spielt. El Grecos Figuren sind dramatisch, man möchte sagen, vibrierend, seine so geniale Farbgebung kommt dazu.

In „Die Zeit“ wurden seine Werke als „nicht mehr von dieser Welt“ kommentiert. Lassen wir Meier-Graefe zu Wort kommen, klingt das so: „Man kann sich nicht satt daran sehen. Man schlürft jedes Detail, und wenn man alles hat, bleibt alles übrig. Das Rätselhafte liegt darin, daß die Farben frei wie feurige Erscheinungen auf und ab flammen und trotzdem eine Zeichnung füllen, die man wie eine Miniature betrachten kann.“ Es mag paradox klingen, aber biblische Darstellungen, an deren tatsächliche Begebenheiten heute nur noch die wenigsten glauben, wirken überzeugender, wenn sie nicht naturalistisch abgebildet sind. El Grecos Werke sind der buchstäblich lebendige Beweis.

Zusammen mit Cézanne wird El Greco heute als einer der Väter der Moderne bezeichnet. Seine „Söhne“, Expressionisten wie Oskar Kokoschka, Max Oppenheimer und Ludwig Meidner sowie Künstler des Blauen Reiters, darunter August Macke, Franz Marc und Albert Bloch, nannten ihn „Geistesbruder“ und „Prophet der Moderne“.

100 Jahre nach der Präsentation einer Auswahl von El Greco-Werken in der Städtischen Kunsthalle Düsseldorf und zwei Jahre vor El Grecos 400. Todesjahr zeigt das Museum Kunstpalast vom 28. April bis zum 12. August mit El Greco und die Moderne eine bisher nie gesehene Ausstellung. Hochkarätige Werke von Künstlern der Moderne – um nur eine kleine Auswahl zu nennen: Max Beckmann, Jacob Steinhardt, Wilhelm Lehmbruck, Heinrich Nauen und Pablo Picasso – werden denen El Grecos gegenüber gestellt.

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