Früher gab es für die Menschen wenige Gründe, ihren Blick zu erheben. Außer natürlich, um Wetterphänomene zu überprüfen oder um Gott zu suchen. Später wurden Maschinen erfunden und plötzlich kamen aus dem Himmel Bomben, mit und ohne Rosinen. Heutzutage ist es immer noch sinnvoll, gelegentlich nach oben zu schauen, sei es, um Taubenexkrementen auszuweichen, oder aber um Flugdaten auszuwerten. Sollte man zumindest meinen. Tatsächlich braucht man jedoch nur Fotos und Skulpturen, um rückblickend einen ganz bestimmten Flug zu analysieren. Mit Holz und Alltagsgegenständen kann man sogar ins All reisen. Und das alles in einer Stadt.
Ich bin ein kunstaffiner Neuankömmling in Düsseldorf, kenne die Stadt noch nicht, und nähere mich ihr zunächst aus der Vogelperspektive. Kunstgegenwärtig schaue ich auf eine Karte, die die Museen der Rheinmetropole verzeichnet. Offensichtlich wird Kunst hier groß geschrieben, und das nicht nur, weil sie auch in dieser Stadt – wie im Deutschen üblich – ein Nomen ist. Jan Wellem sei Dank! Die Karte ist gespickt mit violetten Punkten, die für Museen stehen.
Was für eine Überleitung bietet sich mir da an! Museen – die Heiligtümer der Musen. Musen, Schutzgöttinnen unter anderem der bildenden und der Dichtkunst. Liegt hier der Zusammenhang zwischen Thomas Klings Gedichtband Auswertung der Flugdaten aus dem Jahr 2005 und der gleichnamigen Ausstellung in K21? Und noch ein Zusammenhang fällt sofort ins Auge: Auch Kling war Düsseldorfer und es geht in der Ausstellung um die Düsseldorfer Perspektive auf die Kunst der 1980er. Verblüffend.
Aber um bei der vermarkteten Metapher zu bleiben: Angelockt vom medienübergreifenden Ansatz lande ich, als modernes Subjekt, in K21 und stelle fest, dass bestimmt ein ganz wichtiger Weg, den das Moderne-Flugzeug zurückgelegt hat, der der Fotografie ist. Seit ihrer Erfindung im 19. Jahrhundert hat sie bildende Künstler von der anspruchsvollen Aufgabe entbunden, die Realität wiederzugeben. Die Menschen gingen lieber den zeitsparenderen Weg zum Porträt statt tagelang für einen Maler zu posieren. Und auch Landschaften und Gebäude waren fotografisch wiedergegeben irgendwie „realer“. Fotografische Kunst konnte man deshalb jahrzehntelang nur in schwarz-weiß finden. Bis sich Stephen Shore, ausgestellt im NRW-Forum, in den 1970er Jahren bewusst für Farbfilm und alltägliche Motive wie rote Bullis entschied. Ein neuer Blickwinkel auf das, was Fotografie kann. Und in K21 erfahren wir: Das moderne Foto-Flugzeug ist in den 1980er Jahren dank der übernehmenden Piloten Gursky & Co. gelandet. Fotografie ist endgültig Teil der bildenden Kunst, und kunstvoll ist seitdem sogar das Ruhrtal (Andreas Gursky, 1989).
Bildende Kunst ist heutzutage im besten Falle der individuelle Ausdruck einer außergewöhnlichen Persönlichkeit. Durchaus in diesem Sinne vertretbar und einprägsam werbeinszeniert sind große Namen wie Joseph Beuys und Nam June Paik. Ersterer steht für erlebte kreative Freiheit, die sich zum Beispiel in Sauerkrautwerfen mit dem Ziel Notenpult und – parallel – toten Hasen ausdrückt. Mit Beuys‘ Werk und Namen schmückt sich K20 nun erneut. Zweiterer ist ein Pionier der Videokunst und arbeitete nach dem Motto „Kunst ist Leben, Leben ist Kunst“. Er provozierte gerne mit allem, was ihm zur Verfügung stand: Buddha, eine Cellistin und natürlich immer dabei – Bildschirme. Aktuell zu sehen im museum kunst palast.